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Straßburgtour Tag 6: Rülzheim - Seltz

Das erste Schild
Das erste Schild

Heute Morgen haben wir zügig gepackt, unsere Brötchen abgeholt, Sebastians Opa zum Geburtstag gratuliert und sind losgefahren. Gekommen sind wir ganze hundert Meter weit. Vielleicht waren es auch knappe zweihundert Meter. Dann waren wir nämlich am nahegelegenen Abenteuerspielplatz. Zugegeben, einer der coolsten Spielplätze, die ich je gesehen habe. Während die Kinder spielten, haben wir die Brötchen beschmiert. Leider gab es zwischen uns Großen ein paar Unstimmigkeiten, wie es heute weitergehen soll. Gestern hatten wir überlegt, ein Stück mit der Bahn zu überbrücken bis Wörth. Ich selbst hatte heute mehr Lust auf Radfahren, weil sich alles andere irgendwie nach Schummeln anfühlen würde und ich noch von dem kurzen Stück Bahnfahrt von gestern bedient war. Aber alle anderen waren für die Bahn. Bis wir das fertig diskutiert hatten, war die erste Bahn schon wieder weg und die Kinder freuten sich über eine weitere Stunde Spielplatz. Es sei ihnen gegönnt.

Die nächste Bahn haben wir genommen.

Einsteigen war bisschen chaotisch wie immer bei der Bahn, aber alles drin, alles gut.

Bis wir in Wörth aussteigen wollten...

Julie stand am nächsten am Ausgang, sie sollte also zuerst aussteigen. Soweit so gut. Bis die Zugtüren direkt nach ihr wieder zu gingen und sich sofort für die Weiterfahrt verriegelten. Keine Chance für uns. Wir mussten hilflos dabei zuschauen, wie der Zug anfuhr und die völlig geschockte Julie mit dem Bahnhof verschwand. Ich bin sofort zum Zugführer vorgerannt, aber er hat weder auf Klopfen, noch den Sprechknopf reagiert. Bis ich ihm beim nächsten Halt fast die Scheibe eingeschlagen habe. Da hat er gnädigerweise die Tür geöffnet. Ich habe ihm erklärt, dass gerade unsere 8-jährige Tochter alleine am letzten Halt geblieben ist, weil wir nicht rechtzeitig rausgekommen sind und sie nicht Mal ein Handy hat, sodass wir ihr sagen könnten, dass alles gut ist und wir so schnell wie möglich zurück kommen.

Sein Kommentar darauf: Was haben Sie denn da falsch gemacht, dass Sie nicht zusammen raus sind? Da habe ich ihm innerlich eine gescheuert und dann sachlich versucht ihm klar zu machen, dass er bitte sofort die Leute im Bahnhof von Wörth kontaktiert, dass die Bahnhofsmission oder wer auch immer zu unserer Tochter geht und bei ihr bleibt, bis wir zurück sind.

Wir sind dann am nächsten Halt noch ausgestiegen und haben zusätzlich die Polizei gebeten hinzufahren, um Julie Bescheid zu sagen, dass sie auf jeden Fall da warten soll und wir unterwegs sind.

Dann die nächste Hürde: Gefühlte hundert Stufen runter zur Unterführung und auf der anderen Seite wieder hoch und der Zug in die Gegenrichtung fuhr gerade ein. In einem Akt der Verzweiflung haben wir alle Räder und Hänger in Rekordgeschwindigkeit durch die Unterführung gebracht und auf der Gegenseite dann unsere Rettung: Der Zugführer der Gegenrichtung hat Bescheid bekommen und nicht nur auf uns gewartet, er ist sogar ausgestiegen und hat uns geholfen die Räder mit den Hängern die Stufen hoch zu wuchten. Eindeutig mein Held des Tages (zusammen mit Sebastian, der sogar in der Eile seinen Schuh auf der Treppe verloren hat, wie Aschenputtel 😉).

Völlig Schweiß gebadet - ganz ohne Radfahren am bisherigen Tag - waren wir mit allem im Zug und wieder Richtung Julie unterwegs.

Als ich sie beim Einfahren auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig gesehen habe, sind mir dann doch vor Erleichterung die Tränen gekommen. Bis dahin war ich im Agieren -Modus, aber dann hat einfach die Emotion gewonnen. Sebastian ist sofort zu ihr gerannt, während ich mit dem Rest auf dem neuen Ankunftsbahnsteig gewartet habe, bis wir alles mit dem - zum Glück vorhandenen - Aufzug aus dem Bahnhof raus transportieren konnten.

Danach waren sich alle einig: Heute nur noch selbst fahren! Milan und Elea waren die ganze Zeit völlig aufgelöst und Milan schwer traumatisiert. Er will nieee wieder Bahn fahren. Und noch jedes Mal, wenn wir darüber geredet haben, hat er wieder angefangen zu heulen und wollte sofort heim.

Ab da wurde der Tag aber vorerst besser. Alle waren froh wieder zusammen zu sein und Milan ist zum Herdenschutzhund mutiert. Er hat aufgepasst, dass bloß niemand mehr außer Sichtweite geht. Die Radwege wurden mit jedem Meter schöner und sehr bald haben wir die französische Grenze erreicht. Ab da verlief ein Großteil des Europaradweges im Naturschutzgebiet und hat nicht nur riesen Spaß gemacht, sondern zusammen mit dem Sprachwechsel auch endlich Urlaubsgefühl ausgelöst. 

Als wir unseren Campingplatz am Rhein erreicht haben, haben wir zunächst das Zelt aufgebaut und unsere restlichen Vorräte gegessen. Zum Glück gab es unterwegs bereits ein paar leckere Brombeeren, denn sehr bald war wirklich alles leer.

Während die Großen am Sandstrand des nahen Baggersees ein Loch buddelten, bin ich nochmal mit Milan (im Hänger) in den Nachbarort gefahren, um einzukaufen. Vier Kilometer bis zum Super U, um dann festzustellen, dass dieser gerade renoviert wird und zu hat. 

Enttäuscht machte ich mich auf den Rückweg. Am Straßenrand dann ein Plakat "Marché tous les jeudis". Ich die Bremse reingehauen und kurz überlegt...Donnerstag. Hey, heute ist Donnerstag! Ich habe mich noch nie so sehr gefreut, dass mein Französisch doch nicht ganz eingerostet ist. Auf der Karte gesucht, wo der angegebene Markt ist und mit neuer Energie losgezogen. Bis ich an der Straße ankam, die auf dem Plakat gestanden hat und mich gähnende Leere erwartete. Ich bin noch um den ganzen Block gefahren und auf ein Norma-Schild gestoßen. Kurze Freude, dann wieder: Geschlossene Läden. Und weit und breit keine Menschenseele auf der Straße, die man mal nach dem Markt fragen könnte. Was ist denn nur los? Gibt es einen Feiertag, von dem ich nix weiß?

Beim Zeltplatz dann die Erkenntnis: Es ist der 15.8. Maria Himmelfahrt. In Frankreich offensichtlich ein Feiertag 😭

Zum Glück habe ich auf dem Weg zum Ort ein kleines Restaurant in der Nähe des Campingplatzes gesehen. Das Schild verkündete Flammkuchen.

Da sitzen wir nun, haben bestellt und hoffen, dass der Tag doch noch gut endet.

Morgen früh will ich vielleicht im Baggersee schwimmen, bevor es wieder vor Badegästen wimmelt und dann haben hoffentlich auch die Läden alle wieder auf.

Heute kann ich jedenfalls nicht mehr. Glaube Yoga und Tanzen wird wieder mal gestrichen. Auch wenn Ersteres normalerweise gut hilft, dass mir nachts die Arme nicht so einschlafen. Egal. 


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Kommentare: 3
  • #1

    Barbara (Donnerstag, 15 August 2024 21:54)

    Na,das war aber ein Tag!
    Von diesen Ereignissen werdet ihr noch lange erzählen.
    Wie hat Julie das verkraftet?
    Ich wünsche euch noch entspanntere Tage...
    Liebe Grüße

  • #2

    Tatjana (Freitag, 16 August 2024 06:27)

    Julie war der Knaller, als sich alle beruhigt hatten, meinte sie, am meisten Sorgen hätte sie sich gemacht, weil in ihren Packtaschen ja kein Essen drin ist. Dass wir zurück kommen würden, wüsste sie ja. ;) Sie war ganz toll. Hat sich an unsere Regel gehalten 'wer verloren geht wartet genau da, bis er gefunden wird'. Und wir wären sogar schneller als.die Polizei. Die haben mich im Moment der Wiedervereinigung angerufen und meinten, sie sind jetzt noch zwei Minuten vom Bahnhof entfernt. Da haben wir uns höflich bedankt und ihnen gesagt, dass sie nicht mehr dringend gebraucht werden. Sie sind dann also zum nächsten Einsatz.

  • #3

    Judith (Freitag, 16 August 2024 18:09)

    Das ist ja der Wahnsinn! So ein Abenteuer. Toll, dass ihr das gemeistert habt und es noch gut ausgegangen ist. Jetzt wünsche ich Euch aber ein paar entspannte Tage ohne Stress und Chaos. Glg nach Frankreich.